„Wie bitte geht Gerechtigkeit?“ Cornel West über Liebe und vom Sterben
lernen
Hannover stand vom 13. bis 16.
März 2014 im Zeichen des 4. Festivals der Philosophie, das seit 2008 alle zwei
Jahre unter einem bestimmten Thema stattfindet: 2008 „Die Seele: Metapher oder
Wirklichkeit“, 2010 „Mensch – Natur – Technik (Motto der Weltausstellung
Hannover 2000), 2012 „Vernunft“ und 2014 „Wie bitte geht Gerechtigkeit?“ An verschiedenen Orten in der
Stadt wurden Vorträge, Symposien, und Lesungen gehalten, Film- und
Theateraufführungen gegeben, die sich an jedermann richteten. Sie kosteten meist
keinen Eintritt. Viele Veranstaltungen liefen leider parallel, so dass der
Einzelne immer wieder gezwungen sah, sich zu entscheiden. Ziel des Festivals
war es, die Philosophie den Bürgern näher zu bringen, „im besten Sinne zu
philosophieren“. Vorbild ist das „Festival di Filosofia“ in Modena (Italien).
Hannover hat als erste Stadt Deutschlands das „Format eines
Philosophie-Festivals“ aufgegriffen.
Oberbürgermeister Stefan Schostock von Hannover, seit Oktober
2013 im Amt, eröffnete zum ersten Mal dieses Festival und begrüßte mehr als 250
Zuhörern, wovon infolge des Andrangs einige noch stehen mussten,
den Festredner Prof. Dr. Cornel
West im Kongresssaal des
Herrenhäuser Schlosses zu erleben. West
war eingeladen, die Auftaktveranstaltung des Festivals zu bestreiten. Schostock stellte heraus, dass Hannover
sich als Stadt von Leibniz präsentiere, dass das nicht nur ein Etikett sein
soll, wie beim Leibnizkeks oder im Namen der Leibniz Universität, sondern auch Anstöße
des Denkers aufgegriffen und weiter getragen werden, wie es die hier ansässige Leibnizgesellschaft
und das Festival der Philosophie selbst verkörpere. Das Leben Leibnizund sein
Wirken ist mit Hannover verbunden und die Stadt sehe es als Pflicht und Chance
an, sein Werk und Denken weiter zu tragen..
Schostock konnte festhalten, dass dieses Jahr das Festival zum
einen internationaler und damit interkultureller geworden war, zum anderen,
dass es sich verstärkt an die jüngere Generation wandte. Dies spiegelte sich
auch in einem frischen Design, das vom Aufbruch zeuge. Stolz stellte er fest,
dass das Philosophiefestival zu den großen in Deutschland zähle, vier Tage dauere
und über 90 Veranstaltungen anbiete. Das Themenangebot war breit. Da
gab es höchst gesellschaftsaktuelle Themen oder Stichworte, wie z.B. „Wie wird
das Denken der Technik gerecht?“, Recht des Menschen angesichts von Maschinen und
Roboter“, “Multiethischer Kontext“, Gerechtigkeit zwischen Genrationen“, Gerechtigkeit
mal weiblich“, „Verteilungsgerechtigkeit“, Grenzen des Wachstums“, “Gerechte
(Auto)Mobilität“ oder die „Rolle der Medien.“Nicht nur Vorträge waren im
Angebot, sondern auch Filme, Theaterstücke, Ausstellungen, Lesungen, Schreibwerkstatt,
Jazz-Gottesdienst, Frauenfrühstück um einiges zu nennen. Bemerkenswert war auch
das Poetry Slam zum Thema und um wieder auf Cornel
West zu kommen, seine Diskussion mit OberstufenschülerInnen über die Frage
„Wie kann ich Gerechtigkeit lernen?“
Schostock stellte
Cornel West als einen vielseitigen Menschen dar, als eine multidimensionale
Persönlichkeit und einen prominenten
Provokateur vor, der seine Philosophie auch lebe. Es folgte eine kurze Begrüßung
durch Prof. Dr. Klaus Hulek, Vizepräsident
für Forschung der Leibniz Universität Hannover.
Prof. Dr. Miriam
Strube, Professorin für Amerikanistik, Literatur und Kultur an der
Universität Paderborn, hatte es übernommen Werk und Leben von Cornel West zu würdigen, seine akademischen Laufbahn,
seine Werke und sein Wirken vorzustellen. Sie kennt ihn schon lange und konnte
auch von ihren persönlichen Begegnungen mit ihm sprechen und führte danach durch
den Abend, was weitgehend in englischer Sprache erfolgte. Cornel
West zeige sich als Persönlichkeit von vielseitigem Charakter: Sie
zeichnete ihn in vielen Facetten als einen provokativen Intellektuellen, einen
Philosophen, einen Theologe, einen
Prediger, einen Bürgerrechtler, der in Martin Luther King ein Vorbild sieht, als
einen Musiker und Propheten der sich mit afroamerikanische Studien befasse. Gehe
man mit ihm durch die Straßen, erlebe man, dass er seine Philosophie für den
Menschen auch lebe, indem er Straßenrandbettlern spende. Er hat Lehraufträge an
verschiedenen Elite-Universitäten wie Yale, Princeton. Außerdem sei er vielfach
in den Medien wie Radio, Fernsehen und Kino vertreten. Mit über 20 Buchtitel,
die seinen Namen tragen, ist er auch Erfolgsautor, wie z.B. sein bekanntes Werk,
die Essaysammlung „Race Matters“
(Bestseller), 1993 oder „The Rich and
the Rest of US“ (2012) oder „Hope on a Tightrope – Words and Wisdom (2008).
Letzteres gilt als mutiges Buch, er
analysiert die Rassenunruhen von Los Angelos und hält der amerikanischen
Gesellschaft in vielen Aspekten den Spiegel vor in Bezug auf Rasse, Vorbilder,
Glaube, Familie, Philosophie, Liebe, Konsumverhalten und Dienste. Neben vielen
Auszeichnungen erhielt er z.B. 2009 den American Book Award für zeitgenössische
Literatur. Zum anderen sei er auch Musiker
der Popp-Szene und hat mit Hip-Hop bei Einigen Befremden ausgelöst. Bekannt ist
er durch seine Auftritte mit BMWMB. Von
sich sagt Cornel West: „I am a blues man in the life of the mind music“ oder “
I’m a jazz man in the world of ideas …“. Bei so vielen Vorschusslorbeeren waren
die Erwartungen hoch, werden sie erfüllt werden können?
Die äußere Gestalt fällt unter der
hannoversichen Bevölkerung sofort auf – als Afroamerikaner ist tritt er mit
schwarzem Dreiteiler und schwarzer Krawatte auf, wodurch die weißen Hemdmanschetten
besonders heraus leuchten, was die Bewegungen der Hände und Arme unterstreicht,
ein Gesicht im Kontrast zum Schwarz des Stoffen, gar nicht mehr so schwarz
erscheint, Kraushaar, breite Lippen, dichte Augenbrauen, Bart und Brille, dem
Glanz vom Augapfelweiß und die sonore
Stimme, die kräftig tönt, manchmal zurückhaltend und dann am Rednerpult die
Körpersprache, aufrecht, erhabenem Hauptes, mit gestikulierenden Händen, den Blick
fest ins Halbrund gerichtet, nach vorne, rechts und links zur Seite. Sein
Aufruf, für die lobenden Worte des OB zu beklatschen, wird mit seinen Dankesworten
und einer Verbeugung begleitet, wie er auch unter den Zuhörern entdeckte
Freunde begrüßt. Der Weg zum Rednerpunkt war gewandt und leicht erfolgt.